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HfS trauert um Robert Gallinowski

Nachrufe von Kerstin Hensel und Michael Keller

Zu Robert Gallinowski

Robert war mehr als nur ein beeindruckender, vielseitiger Schauspieler. Er malte, schrieb Gedichte, arbeitete stets mit vollem Einsatz seiner Sinne. Er war Grenzgänger, Glaubender, Zweifler, zornmütiger Hoffnungsträumer, fragil trotz robusten Gebarens. Er, der in der Kunst und im Alltag Ausdruck, Sinn, Halt und Ordnung suchte, fiel mitunter selbst aus der Ordnung. Die Gründe dafür finden sich im Leben selbst.

1990 sind wir uns das erste Mal an der Hochschule begegnet: Er als Schauspielstudent, ich als Lehrassistentin für das Fach Verssprache. Die Poesie hatte ihn schon damals gepackt, rebellisch und zärtlich. Seine eigenen Gedichte, die wir viele Jahre später nächtelang diskutiert haben, zeugen von ernsthaftem Willen, Können und wie er bis zuletzt versuchte, seiner aufgerissenen Seele eine Form zu geben:

Nah und
ohrenbetäubend
die Stille
zwischen Herz und
Schlag     

(R.G.)

 Kerstin Hensel, 30.3.2023

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Wir trauern um Robert Gallinowski. In der alten Studio-Bühne „Wolfgang Heinz" in Schöneweide, wo er von 1990 bis 1993 studierte, klebten - direkt über der Spielfläche -Teebeutel an der Decke. Robert hatte sie dort hochgeworfen, wohl in der Hoffnung, dass sie - trocken geworden - mitten im Vorspiel herunterfallen und so zur Irritation des Geschehens führen würden. Das geschah nie.  Als er längst nach 2 Jahren frühzeitig ans Bonner Theater engagiert wurde und an den Theatern des Landes spielte, hingen sie mit ihren flatternden Markenzettelchen unbeschadet oben. Wahrscheinlich hängen sie heute noch. Jeder Blick zu ihnen wiederbelebte die Erinnerung an diesen kraftvollen und schonungslosen Figurenspieler, der sich vom Absolventen über die Jahre längst zum Meister der Schauspielkunst entwickelt hatte. In zahlreichen Rollen gelang es ihm immer wieder, unser Verständnis der menschlichen Natur auf anregende und mitunter verstörende Weise zu erweitern. Scheinbar kräftig und schwer verwundbar, war er als Spieler und als Mensch doch zugleich immer verkörperte Verletzungserwartung, von zerbrechlicher Anwesenheit, zärtlch und liebevoll. Wir hatten Glück, dass er seine Erfahrungen als Gastdozent an unsere Studierenden in Szenenstudien und einer Studioinszenierung weitergab und teilte. Unter den Teebeuteln erarbeitete er unter anderem „Die Hose“ von C. Sternheim. Unter seiner Regie gelang es den Studierenden, ihren Figuren in jeder Handlung und Geste eine radikale Sehnsucht nach Leben sichtbar zu machen und uns gleichzeitig an die besten Vorsätze unserer Lehre zu erinnern. Dafür sind wir dankbar. Braucht es doch immer wieder Modelle und Ermutigungen, um nicht in ausgetretenen Pfaden der Ausbildung spazieren zu gehen. Es gibt den Satz von Max Reinhardt, dass der Schauspieler soviel Leben leben kann, wie er Rollen bekommt. Das ist, mit Blick auf Robert - den zu früh Verstorbenen - ein kleiner Trost. Man sagt, sobald ein Mensch fehlt, nimmt die ganze Welt seine Gestalt an. Manchmal ist es auch ein Teebeutel. Auf Wiedersehen Robert.

Michael Keller

 

Robert Gallinowski
Robert Gallinowski (c) Barbara Braun