Tanz, Erinnerung und Widerstand: Ein Archiv iranischer Tänzer*innen im Exil
Dr. Elaheh Hatami
Archive des Tanzes und der Performance sind weit mehr als reine Bewahrungsorte – sie sind zugleich Räume des Widerstands und der Neuverhandlung von Geschichte. Dieser Vortrag im Rahmen der Vorlesungsreihe „Theater Macht Archive“ beleuchtet die Bedeutung eines Tanzarchivs im Exil und rückt die enge Verbindung zwischen Körper und Erinnerung in den Fokus. In einem politischen und kulturellen Kontext, der Tanz im Iran über Jahrzehnte hinweg marginalisiert und unterdrückt hat, wird ein solches Archiv zu einem lebendigen Zeugnis widerständiger Praxis.
Das geplante Tanzarchiv im Exil ist sowohl ein symbolisches als auch ein praktisches Projekt. Es hat das Ziel, vergessene oder verdrängte Tanzgeschichten sichtbar zu machen, die Performativität von Erinnerung zu erforschen und ein dynamisches kulturelles Gedächtnis zu schaffen. Die Gründung eines solchen Archivs ist ein Akt der Ermächtigung – ein künstlerischer Protest gegen das Vergessen und die Zensur.
Durch die Reflexion der Erfahrungen von Tänzer:innen, die ihre Praxis in der Diaspora weiterentwickeln, stellt sich die Frage, wie körperliche Archive transnationale Verbindungen stiften und welche Rolle Tanz in der Auseinandersetzung mit Exil, Verlust und Widerstand spielt. Diese Vorlesung lädt dazu ein, über das Tanzarchiv, den Körper als Erinnerungsmedium und die politischen Dimensionen von Kunst im Exil nachzudenken.
Elaheh Hatami (Dr. phil.) ist freiberufliche Tanz- und Performancewissenschaftlerin mit Sitz in Berlin. In ihrer Arbeit verbindet sie Theorie und Praxis im Austausch mit Tänzer:innen und Performer:innen. Ein Schwerpunkt liegt auf Fragen von Exil, Körperpolitik und Erinnerungskultur im Kontext des zeitgenössischen iranischen Tanzes. Sie ist Autorin des Buches Glocal Bodies: Dancers in Exile and Politics of Place – A Critical Study of Contemporary Iranian Dance (transcript, 2022), in dem sie die Transformation des iranischen Bühnentanzes sowie die Auswirkungen von Migration und Exil auf performative Ausdrucksformen untersucht. Als Initiatorin des Projekts Iranisches Tanzarchiv im Exil (ein laufender Arbeitsprozess) schafft sie eine Plattform zur Dokumentation und Reflexion der zeitgenössischen Tanzszene im Iran sowie der Arbeit iranischer Tänzer:innen im In- und Ausland. Das langfristig angelegte Projekt wird vom Internationalen Theaterinstitut Deutschland (ITI) unterstützt.
Zur Vorlesungsreihe „Theater Macht Archive“
Bereits im Jahr 2024 konnte durch Beiträge von Johanna Stapelfeldt & Dr. Anna Luise Kiss, Prof. Dr. Erdmut Wizisla, Dr. des. Carolina Heberling & Lotta Beckers sowie Dipl.-Ing. Franziska Ritter im Rahmen der Vorlesungsreihe „Theater Macht Archive“ zahlreichen Verbindungen zwischen Theater und Archiv nachgegangen werden. Ab Mai wird die Vorlesungsreihe fortgesetzt. Mit Beiträgen von Rea Kurmann vom Rom*nja Theaterkollektiv und Dr. Elaheh Hatami, Initiatorin des Iranian Dance Archive in Exile werden die verschiedenen Bezugsebenen zwischen einem Theater, das seine Geschichte archiviert, und einer Theatergeschichte, die archiviert wird und auf die theatral zurückgegriffen wird, weiter erforscht. Ob in Inszenierungsarchiven, Landesarchiven und Akten zu Theaterbauten, in privaten Sammlungen oder auf digitalen Plattformen, hier werden das Theater und seine Archivorte mit Fragen nach (un-)bewussten Sammlungsstrategien und Überlieferungspolitiken konfrontiert. Die Muster von „archival power“ (Michel-Rolph Trouillot) lagern sich in physischen und institutionellen Strukturen ab.
Theatermacher*innen nutzen verschiedenste Archive, um historische Erfahrung in theatrale Ereignisse einfließen zu lassen, um neues Wissen hervorzubringen und zu dokumentieren. Dabei werden häufig die Muster der „archival power“ thematisiert und (kritisch) reflektiert, denn sie bestimmen die Dramaturgie und Ästhetik eines archivbasierten Theaters mit.
Die Vorlesungsreihe „Theater Macht Archive“ richtet sich insbesondere an den archivarischen, musealen, künstlerisch-forschenden und Theater-Nachwuchs und schafft Raum zur Vernetzung untereinander. Eine Vorlesungsreihe im Rahmen des BMBF-geförderten Archiv- und Forschungsprojekts „Dramaturgien eines Archivs“ (DramA) an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin, in Zusammenarbeit mit dem Bertolt-Brecht-Archiv.
Information zu Barrieren: Die Termine der Vorlesungsreihe finden in deutscher Lautsprache via Zoom statt (siehe jeweilige Ankündigungen). Bitte teilen Sie uns gern mit, falls Sie zu den Terminen eine Dolmetschung in deutsche oder englische Gebärdensprache wünschen.
