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Nis Søgaard im Interview

Nis Søgaard wurde zum Professor für Zeitgenössische Puppenspielkunst berufen

Wie bist du zum Puppenspiel gekommen? 

Ich bin im Norden Dänemarks am Meer aufgewachsen. An diesem abgelegenen Ort wurden früher mal Puppenspielseminare für Schauspieler*innen angeboten. Durch einen Zufall bin ich in einen solchen Fortbildungskurs geraten und bekam unerwartet Einsicht in die Welt der Puppenspielkunst. Ich war von den Ausdrucksmöglichkeiten so fasziniert, dass ich nach Wegen suchte, mich weiterzubilden. So bin ich zum Studium an die HfS in Berlin gekommen. In Dänemark ist die Form der Puppenspielkunst noch nicht weit verbreitet, also blieb ich in Deutschland, um Berufserfahrung zu sammeln. Ich war an Stadttheatern in Dresden und Magdeburg angestellt und über viele Jahre als Regisseur und Puppenspieler freiberuflich tätig. 

Was bedeutet für dich Zeitgenössische Puppenspielkunst?

Das Puppenspiel erkundet auf wundersame Art und Weise das erzählerische Potential der Dinge. Diese Erkundung steht unausweichlich in Bezug zu unserer Zeit und ermöglicht eine Reflexion über unser Tun und fordert uns mit einer Vielfalt von ungewöhnlichen Ausdrucksmöglichkeiten heraus. Durch eine intensive spielerische Auseinandersetzung mit Material, Objekten und Puppen entsteht ein ganz eigenwilliges Verständnis zu den Dingen, die uns alltäglich umgeben.

Die Sprache der Puppenspielkunst vermag gesellschaftliche Phänomene und Entwicklungen auf unkonventionelle Art zu spiegeln und ist unabdingbar in einer Zeit des beschleunigten Fortschritts. Das erzählende Objekt öffnet Türen zu kreativen Freiräumen – z.B. durch den vorgegebenen Zweck seiner Erschaffung, durch die manipulierende Entfremdung seiner Bestimmung, durch das spielerische Verhalten zum Objekt oder durch die faszinierende Animation seiner Beschaffenheit. Die Bedeutung der Dinge muss in den Köpfen der zuschauenden Personen entschlüsselt werden und es bleibt stets Platz für paradoxe Doppeldeutigkeit und Gegensätzlichkeiten: Ein Hoch auf die Anarchie der Dinge! 

Im fantastischen Reich der Dinge lebt und herrscht die Puppe. Ohne eine präzise Verständigung unter den spielenden Personen bleibt sie allerdings nur totes Material. Es muss also ein Weg gefunden werden, wie die Beteiligten im Bündnis mit der Puppe kommunizieren, damit der tote Körper zum Leben erweckt wird. Die Spielenden tragen wortwörtlich die Verantwortung für das „Leben“ physisch in ihren Händen Das verblüffende Gebilde einer gelungener Animation beruht auf Hingabe und Achtsamkeit. Dieser Aufwand, diese Bemühung ist ein lehrreicher Prozess. Verständigung erzeugt Leben und verdrängt den Tod. Die Zukunft gehört den Puppen.

Warum wolltest Du an die Hochschule?

Es ist eine tolle Herausforderung, wissbegierige Menschen zu begleiten und sie mit den Möglichkeiten des Objekt- und Figurentheaters vertraut zu machen. Sie lernen, die Gegenwart mit einer bunten Palette aus theatralischen Mitteln zu beschreiben, zu hinterfragen und mitzugestalten. Das ist auch ein großer Spaß! Ich möchte die Erfahrung, die ich an den festen Häusern und in der freien Szene als Spieler und Regisseur gesammelt habe, mit jungen Künstler*innen teilen. Mich fasziniert dabei die enorme kreative Energie, die an der Hochschule deutlich zu spüren ist. Im idealen Fall ist die Hochschule eine Quelle von neuen künstlerischen Ideen und kann inspirierend für die Theaterarbeit auf der ganzen Welt sein.

Welche Ziele hast du?

Ich habe Respekt vor der bisherigen Leistung der Lehrkräfte und ich freue mich darauf, jetzt ein Teil des Teams zu sein. Ich möchte mit meiner Arbeit das Bestehende achten und gleichzeitig Impulsgeber für neue Denkrichtungen sein. 

Schöpferische Neugestaltung braucht ein grundsätzliches Verständnis für das Handwerk des Puppentheaters. Das Fundament für die Fachrichtung Puppenspielkunst ist und bleibt die solide schauspielerische Grundausbildung in Bezug auf Sprachbeherrschung, Körperverständnis und das meistern traditioneller Formen, wie z.B Handpuppe, Marionette oder Klappmaulpuppe. Das Beherrschen dieser Spieltechniken erzeugt einen qualitativen Wert, in dem auch neuartige Formen umgesetzt werden können. Ich möchte gleichzeitig einen Zugang zu dem Handwerk des Puppenspiels vermitteln und einen kreativen Raum für neue Ausdrucksformen im Bereich des Objekt- und Figurentheaters offenhalten und mitgestalten. 

Meine Aufgabe wird es vor allem sein, individuelle Merkmale, besondere Eigenschaften und Begabungen bei den Studierenden zu erkennen, um sie darin zu stärken und ihre eigene künstlerische Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Dazu gehört auch, sich der eigenen Schwächen bewusst zu werden und sich produktiv mit diesen auseinanderzusetzen.