Sebastian Quack im Interview über die Möglichkeiten des Spielens
Neue Co-Leitung und Professor im Masterstudiengang Spiel und Objekt
Hallo Sebastian Quack, willkommen an der HfS Ernst Busch! Mit dem Wintersemester 2025/26 startest du als Professor im Masterstudiengang Spiel und Objekt und übernimmst zusammen mit Hanna Perner-Wilson die Co-Leitung des Studiengangs.
Was werden deine ersten Projekte an der Busch sein?
Danke! Ich freue mich sehr, Teil dieses inspirierenden Programms und tollen Teams zu werden.
Ein erstes kleines Projekt sind die Public-Playtesting-Abende, die wir im Spiel und Objekt Ladenlokal etablieren wollen. Playtesting ist das kollaborative Ausprobieren und Diskutieren von unfertigen Situationen mit einem aktiv spielenden Testpublikum.
Beim Playtesting kommen Menschen zusammen, die eine bestimmte Art von spielerischer Erfahrung ermöglichen möchten, und Menschen, die bereit sind, auszuprobieren, ob sich diese Erfahrung wirklich im Spiel einstellt – oder etwas komplett anderes passiert! Dazu gehört auf allen Seiten eine große Portion Mut, Offenheit und Bescheidenheit. Und Playtesting ist ein durch und durch theatraler Vorgang, mit starken Auftritten und für alle überraschenden Wendungen.
Playtesting war schon immer Teil des Studiengangs. Aber ich glaube, es hat als interdisziplinäre Methode noch ein riesiges Potential. Einerseits um Spiel und Objekt weiter mit den anderen Bereichen an der HfS zu verbinden, andererseits auch mit der Berlinweiten Szene, die sich für experimentelles Spiel interessiert.
Allgemein interessieren mich solche Schnittstellen und Übergänge. Ich bin daher auch schon sehr gespannt auf ein neues Format, das wir zusammen mit dem Masterstudiengang Choreographie entwickeln. Bei “Encounters in Motion” treffen Künstler*innen aufeinander, die im Feld zwischen Spiel und Choreographie arbeiten.
Worauf bist du in der Zusammenarbeit mit den Studierenden besonders neugierig? Was fordert dich heraus?
Für mich ist es ein sehr interessanter Moment, um einzusteigen. Der aktuelle Jahrgang bei Spiel und Objekt steht quasi auf halben Weg zum Abschluss. Auf unserer Fahrt zum Gastspiel beim Ars Electronica Festival in Linz hatte ich schon Gelegenheit, alle kennenzulernen und die verschiedenen Interessen und künstlerischen Ansätze der Studierenden zu erleben.
Was mich besonders neugierig macht, sind die sehr unterschiedlichen Wege, die die Studierenden für sich in diesem extrem komplexen Feld von experimentellem Spiel, interaktivem, partizipativen oder digitalen Theater finden. Manche gehen von persönlichen oder gesellschaftlich virulenten Geschichten aus. Andere von technologischen Experimenten, von körperlichen Erfahrungen, von bestimmten Modi des Spiels.
Wenn man in diesem sehr offenen, noch zu großen Teilen unerforschten Feld zusammenarbeitet, kann man unheimlich viel voneinander lernen. Aber man kann sich auch leicht verlieren. Es ist eine große Herausforderung, gemeinsame Fragen, Positionen und Fähigkeiten herauszubilden und dadurch Möglichkeiten der Orientierung zu schaffen.
Eine Aktivität, die wir gemeinsam starten werden, ist daher eine Art Spielklub, wo wir mit der ganzen Gruppe so viele verschiedene Spielerfahrungen wie möglich durchlaufen und auf der Grundlage eine gemeinsame, analytische Sprache entwickeln – von Theater- und Kunstformen über Brett-, Video- und Rollenspiel bis zu kommerziellen Angeboten wie Vergnügungspark, Pferderennen oder Spielkasino.
Wir freuen uns auch sehr auf deine internationale Expertise! Du hast in deiner bisherigen Laufbahn bereits viele Projekte realisiert und geforscht. Was waren und sind die Schwerpunkte deiner künstlerischen Arbeiten und Forschungen?
Ein Schwerpunkt für die Entwicklung meiner künstlerischen Praxis war der Zusammenhang von Spiel und öffentlichen Räumen. Welche Spielregeln gelten wo? Wie können mit digitalen Medien oder architektonischen Interventionen Erfahrungen an Orten organisiert werden, die nicht dafür gemacht wurden? Wie können ganz verschiedene Menschen gemeinsam spielerische Erfahrungen gestalten? Auf welchen Traditionen baut das auf? Wer wird dabei ein- oder ausgeschlossen?
Dieses Interesse an Spiel in untypischen Kontexten hat mich dann in weitere Übergangsbereiche geführt, von Theater und Musik, über Architektur und experimentellen Videospielen, bis hin zu politischen Themen wie Migration oder Klima.
Ich habe schnell gemerkt, dass ich gerne mit Formaten arbeite, in denen sich Spiel und Realität überlagern, oder in denen Menschen auf spielerische Weise mit ungewohnten Realitäten in Berührung kommen. Das hat mich schließlich zu den größeren Festival- und Ausstellungsformaten geführt, die bewusste Wechsel zwischen verschiedenen Spielen ermöglichen und Räume für Begegnungen im Dazwischen aufmachen.
So bin ich letztlich auch zum Kuratieren gekommen. Unsere Welt ist so komplex und vielfältig; ich suche nach Wegen, wie wir uns darin gemeinsam bewegen können, statt abgeschlossene, perfekte, reproduzierbare Erfahrungen und stabile Aussagen zu bauen.
Welche Fragen treiben dich aktuell um? Welche Perspektiven siehst du für das Digitale im Theater?
Aktuell beschäftige ich mich mit der Frage, wie (und ob) wir spielerisch auf die vielen Krisen reagieren können, die uns umgeben, insbesondere die Klimakrise. Zumal spielerische Dynamiken dort ein großer Teil des Problems sind!
Ich arbeite z.B. an einer Installation, in deren Zentrum ein Videospiel über Klimaleugnung steht - ein bisschen wie ein immersives Kammerspiel über eine Konferenz, bei der alle Formen, die Klimakrise zu leugnen, vertreten sind, während draußen die Welt in Flammen steht.
Zu Digitalität und Theater habe ich, glaube ich, eigentlich keine besondere Perspektive. Wichtiger als die Frage, welche neue Art von Theater mit digitalen Mitteln ermöglicht wird, ist für mich die Frage: Was will oder soll Theater überhaupt in der heutigen Zeit? Welche Erfahrungen wollen wir unserem Publikum ermöglichen und warum? Die Technologie kommt für mich dann in einem zweiten Schritt dazu, in dem sie Vorgänge koordiniert, Inhalte zur Verfügung stellt, Verbindungen nach Draußen aufmacht, usw.
Natürlich sind technische Innovationen wie AI, VR oder Robotik beeindruckend und haben ihre eigene Magie. Aber auch ein einfacher Moment kann magisch sein – etwa, wenn ich auf die Straße gehe und mir vorstelle, dass alle Vögel mich beobachten. Digitale Technik kann mir dabei helfen, so etwas zu erleben. Sie kann mich aber auch genau davon abhalten und mir stattdessen irgendeinen “AI Slop” vorsetzen.
Zum Abschluss noch eine philosophische Frage: Warum sollten wir alle (mehr) spielen? Was macht das Spielen so wichtig für dich?
Man kann z.B. so argumentieren: Dadurch, dass unsere Welt inzwischen sehr stark von komplexen Systemen (technisch, politisch, sozial, ökologisch...) bestimmt wird, kommt dem Spiel kulturell eine besondere Rolle zu. Weil es wie kein anderes künstlerisches Medium mit Systemen und Macht verknüpft ist. Weil Spiele immer mit Freiheit und Unfreiheit zu tun haben, mit Zusammenarbeit und Wettbewerb, mit konstruktiven Problemlösungen, der Imagination von Welten oder dem Sprengen von Regeln.
Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob wir alle mehr spielen sollten. Es wird ja unheimlich viel gespielt, vielleicht mehr als je zuvor! Wichtiger wäre für mich ein tieferes Verständnis für die Gestaltung, die Macht und Mechanismen des Spielens selbst. Spiel wird ja oft entweder als etwas Unschuldiges gesehen (z.B. ein schönes Lernspielzeug aus Holz), oder als etwas Gefährliches (z.B. Glücksspiel oder Ballerspiele). Meistens haben wir es aber mit einem sehr ambivalenten Phänomen zu tun, wo wir genau auf die sozialen und materiellen Bedingungen schauen müssen, in denen gespielt wird.
Deswegen wollen wir bei Spiel und Objekt den Begriff des experimentellen Spiels in den Mittelpunkt stellen. Es geht darum, eine Expertise im kritischen Spielen zu bilden, aber auch in der Schaffung und der Analyse von Spielräumen und Spielkulturen. Das hilft dann z.B. auch dabei, dass spezifisch spielerische an Figuren wie Donald Trump und anderen Faschist*innen zu erkennen, denen es um entfesselte Zerstörungslust und performative Dominanz geht. Von dieser Art des Spiels brauchen wir sicher weniger – nicht mehr.
