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Prof. Friederike Heller im Interview

Friederike Heller wurde zur Professorin für Schauspielregie berufen. Im Interview stellt sie sich vor.

Frau Heller, wann waren sie das letzte Mal im Theater und haben gedacht: „Wow, genau deshalb liebe ich das Theater“?

Gestern? Oder vorgestern? Dieses Gefühl stellt sich bei mir schnell und regelmäßig ein. Trotz der Pandemie, des Krieges, trotz aller Debatten, die über das Theater geführt werden müssen. Gestern Abend haben die Studierenden des 1. Jahrgangs Regie ihre ersten kleinen Arbeiten präsentiert – im UNI.T, dem Theater der UdK. Sie haben zusammen mit Studierenden der Kostüm- und Bühnenbild-Klassen die Ergebnisse eines 14-tägigen Workshops gezeigt, und als sie zum Schluss alle gemeinsam auf der Bühne standen, hat es wieder gekribbelt. Aber auch, wenn DIE Bühnenfliege durch das Licht surrt oder ein Stück Glitter aus dem Bühnenhimmel flattert, das sich vorher irgendwo versteckt hat und erst durch die sich erhitzenden Scheinwerfer oder deren Lüfter oder sowas herunterkommt. Ich liebe das Theater.

 

Vor kurzem haben Sie mit einer eigenen Inszenierung Premiere gefeiert. Wo und was haben Sie auf die Bühne gebracht?

Ich habe den Ballhof in Hannover kennengelernt. Das ist das kleinere Haus vom Schauspiel Hannover. Mit Every heart is built around a memory habe ich ein Jugendstück über virtuelle Welten und die Kraft des Visionären gemacht. Ich durfte dem recht kurzen und etwas traurigen Stück ein etwa zehnseitiges Sequel schreiben, in dem ich die beiden Protagonistinnen, zwei Schwestern, einen Weg finden lasse, sich zu befreien: Sie bleiben nicht bei der Erkenntnis stehen, dass sie nur Avatare sind und nichts machen können, sondern gestalten neue Welten und heilen nebenbei ihren Vater.

 

Nun haben Sie sich entschieden, neben Ihrer Arbeit als Regisseurin an die HfS Ernst Busch zu kommen und als Professorin für Schauspielregie Ihr Wissen weiterzugeben. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie auch eine pädagogische Ader haben und Lust, mit Studierenden zu arbeiten?

Vor knapp zehn Jahren. Ich habe seitdem in Hamburg und Berlin Studierende betreut. An der HfS Ernst Busch hatte ich im Jahre 2014 sogar zwei Semester lang eine Gastprofessur. Am Anfang standen die Neugier und die Abkehr von dem über eine lange Zeit erwogenen Schritt, selbst ein Theater zu leiten. Ich habe viele Intendant*innen erleben können in meinen über 20 Jahren Berufspraxis. Die Aufgabe schien mir immer einsamer und härter zu werden – damals gab es noch kaum kollektive Hausleitungen. Heute ist das glücklicherweise im Umbruch, aber als ich damals in die Lehre ging, war ich extrem froh, dass ich auf Augenhöhe und ohne ökonomischen Druck bzw. Ergebniszwang mit Menschen im Theater arbeiten und forschen konnte. Ich habe schnell gemerkt, dass für mich Praxis und Lehre nahe beieinander liegen. Es geht um Vermittlung, Beschreibung, Erklärung, Analyse, das Anzetteln von Spielen. Aber spätestens als mich weibliche Studierende reihenweise um Rat und Information baten, wie der Regie-Beruf mit dem Wunsch, eine Familie zu gründen, vereinbar wäre, habe ich gemerkt, dass ich mit meinem persönlichen Weg einen Erfahrungsschatz angehäuft habe, den ich gerne teilen möchte.

 

Was verbindet Sie mit der HfS Ernst Busch und wofür steht diese Hochschule für Sie?

Ich habe in Hamburg studiert. Im letzten Jahrtausend. Da flüsterte man von dem strengen Regiment an der Ernst Busch, davor habe ich mich gegruselt. Als ich vor ca. 15 Jahren das erste Mal Brecht inszenierte, habe ich gemerkt, dass ich im Grunde genommen stets Episches Theater gemacht habe, ohne dies benennen zu können. Das hat meine Perspektive verändert. Aber da ist noch ein anderer Punkt: Es gibt nicht viele Orte, an denen gemeinsam öffentlich nachgedacht wird. In der Universität, manchmal in religiösen Zusammenhängen, also in der Kirche zum Beispiel – und eben im Theater. Genau das schätze ich am Theatermachen und finde, dieses luxuriöse Moment sollte man nutzen für die Dinge, die eine*n politisch und gesellschaftlich (was eigentlich auch politisch ist) umtreiben. Diesen Anspruch sehe ich in der Geschichte der Lehre an der HfS Ernst Busch, und das mag ich.

 

Welche inhaltlichen Schwerpunkte werden Sie in den ersten Jahren Ihrer Professur legen?

Ich möchte eine inklusivere, klassismus- und diversitätssensiblere Hochschule – und ein ebensolches Theater! An diesen Themen kann und muss in jeder Form gearbeitet werden, sowohl inhaltlich als auch strukturell. Mit den zukünftigen Regisseur*innen bilden wir zumindest einen Teil der zukünftigen Intendant*innen und Theaterleitungen aus. Also möchte ich die Studierenden sowohl für ihre Arbeit in der künstlerischen Produktion als auch generell für Leitungsaufgaben in einem fairen, demokratischen, achtsamen Sinn ausbilden. Dazu gehört für mich auch die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen; ich schließe mich selbstverständlich mit ein. Die Theater agieren zu oft noch in restfeudalen Strukturen. Ich habe mich beworben mit der Aussage: Weder Regie noch Lehre sind eine Einbahnstraße. Künstlerische Prozesse müssen genau wie Ausbildungsverhältnisse im Vertrauen, möglichst einvernehmlich und mit größtmöglicher Transparenz gestaltet werden.

 

Was ist Ihr größter Wunsch in Bezug auf die Professur?

Ich möchte junge Menschen bestmöglich auf eine sich mitunter rabiat verhaltende Welt vorbereiten. Damit sie an dieser Welt schrauben und sie zum Besseren verändern. Sie braucht es.